TESTBERICHT | PHILIPP JAKESCH

... 60-600mm F4.5-6.3 DG DN OS | S

TESTBERICHT
PHILIPP JAKESCH

... 60-600mm F4.5-6.3 DG DN OS | S

Ein Fotowalk mit
dem Sigma 60-600

60-600mm klingt für mich als Naturfotografen sehr verlockend. Um zu sehen, was das in der Praxis bedeutet und wie die Umsetzung des Objektivs gelungen ist, habe ich das Objektiv bei einem kleinen Fotowalk in Graz mitgenommen.

Die Neuauflage des bewährten Objektives für spiegellose Kameras (das 60-600mm F4,5-6,3 DG OS HSM für DSLRs gibt es von Sigma bereits seit einigen Jahren) überzeugt bereits beim Herausnehmen aus der Verpackung. Die Version für Sony ist mit 2.485 g ein wenig leichter als die erste Generation für Spiegelreflexkameras. Aktuell werden für Sony E-Mount und L-Mount zwei Versionen dieser Linse angeboten. Für den Real-Life-Test habe ich mich mit der Sony Alpha 1 auf die Suche nach Motiven in der unmittelbaren Umgebung von Foto Köberl gemacht. Die starke Bewölkung und das flache Licht ließen wenig Spielraum für Beispielbilder mit kontrastreichen Lichtverhältnissen und Situationen bei Gegenlicht. Mein Fokus beim Test richtete sich somit gezielt auf die Bildstabilisierung, Schärfe und allgemeine Vielseitigkeit in der Anwendung.

Praktisch vielseitig

Das einzige 10-Fach-Zoom für spiegellose Kameras* fühlt sich haptisch sehr hochwertig an, obwohl das Gewicht zu Beginn etwas überwältigend ist. Das Gewicht sollte jedoch in Relation zur Leistungsfähigkeit gesehen werden: Um einen ähnlichen Brennweitenbereich abdecken zu können, würde man zumindest ein 70-200mm, sowie ein 200-600mm Objektiv benötigen. Der Vorteil, dass man mit diesem Objektiv nicht zwischen 2 großen separaten Optiken wechseln muss, kann in manchen Fällen einen entscheidenden Unterschied machen.

*Als Wechselobjektiv exklusiv für spiegellose Kameras, ab Dezember 2022 von SIGMA

Für mich als Naturfotografen spielen sich auf Anhieb einige Szenarien im Kopf ab, bei denen sich dieser Vorteil zeigt: Erst unlängst war ich in Norwegen mit einer Fotogruppe unterwegs. Während einer Tour zu den Seeadlern haben sich einige Momente ergeben, in denen die Situation eine geringere Brennweite erfordert hätte. Aufgrund der äußeren Umstände bzw. der Wetterverhältnisse hatten wir keine Wechselobjektive dabei und eine Optik mit 60-600mm Brennweite wäre definitiv ein Geschenk gewesen.

Bokéh – der unscharfe Hintergrund

Wenn ich ein Bild aufnehme, achte ich auf die Unschärfe im Hintergrund mindestens genauso sehr wie auf das Motiv selbst. Um die Ausformung des Hintergrunds in der Stadt darstellen zu können, habe ich mich dafür entschieden, die interessanten Lichter der Fahrzeuge und Ampeln zu verwenden. Für die folgende Aufnahme habe ich die Schärfe auf die ‘Pflanze im Winterschlaf’ gelegt. Da die Entfernung der Lichter ein Vielfaches der Entfernung von Pflanze und Sensorebene war, vergrößerte sich das Licht massiv und hinterlässt diesen wunderschönen roten Mond im Hintergrund. Dass du bei der Aufnahme von Kanten mit hohen Luminanzunterschieden jedoch vorsichtig sein solltest, zeigt die folgende Aufnahme. Die chromatische Aberration ist deutlich sichtbar, jedoch ist dieser charakteristische Linsenfehler nur dann relevant, wenn du deine Bilder im .jpeg Format aufnimmst. Bei jeder empfehlenswerten Bildbearbeitungs-Software, ist die Entfernung der chromatischen Aberration nur einen Mausklick entfernt.

Bildstabilisator und Vergrößerung

Um die Stabilisierung des neuen Sigma 60-600mm zu testen, war ich ganz ohne Stativ unterwegs. Die verhältnismäßig schlechten Lichtverhältnisse haben den eingebauten Stabilisator stark gefordert. Aus der Hand können selbst kleinste Motive schön freigestellt werden und man erhält trotz großem Tele ein Makro-feeling. Das folgende Bild habe ich bei 200mm aufgenommen und dabei den Bildstabilisator bei Stellung 1 belassen (Das ist die Stellung für stative Motive). Trotzdem konnte ich keine vollständig zufriedenstellend scharfe Aufnahme bei 1/60s Belichtungszeit erzielen. Ein menschliches Versagen kann dabei nicht ausgeschlossen werden.

Sigma sagt zum Bildstabilisator: Die OS-Funktion (Optical Stabilizer) verwendet den von SIGMA neu entwickelten Algorithmus „OS2“. Der neue Algorithmus verbessert die Bildstabilisierungsleistung erheblich, mit 7 Blenden am Weitwinkel und 6 Blenden am Teleende. Dadurch kann das Objektiv kraftvolle und dynamische Momente mit einem reichhaltigen Bewegungsgefühl festhalten.

Was bedeutet das und wie kannst du den Bildstabilisator für dich selbst testen?

Wenn du wissen willst, was die 6-7 Blendenstufen tatsächlich in der Praxis für deine eigenen Bilder bedeuten, kannst du das ganz einfach selbst testen. Mache dazu eine scharfe Aufnahme ohne Bildstabilisator bei einer Brennweite deiner Wahl. Fokussiere dabei auf ein Motiv deiner Wahl und belichte die Aufnahme ausgewogen. Ein guter Startwert für diesen Test ist der Kehrwert der Brennweite als Belichtungszeit. Wenn du deine Testbilder mit 600mm machen möchtest, kannst du mit 1/640 s beginnen. Ist das Bild absolut scharf, erstmals herzlichen Glückwunsch. Jetzt kannst du den Bildstabilisator aktivieren und die Belichtungszeit ermitteln, ab wann die Bilder nicht mehr scharf aufgenommen werden können. Somit weißt du, wieviele Blendenstufen du tatsächlich stabilisieren kannst. In der Praxis kann das den entscheidenden Unterschied machen.

SIGMA 60-600MM F4.5-6.3 DG DN OS | SPORTS
SIGMA 60-600MM F4.5-6.3 DG DN OS | SPORTS

Das Foto wurde mit Blende 5.6, Verschlusszeit 1/60, ISO 500 und 200mm aufgenommen. 1/250 wären also ein erster Richtwert OHNE Bildstabilisator. MIT Bildstabilisator müsste sich theoretisch eine handgehaltene Aufnahme mit nur einer Viertel Sekunde ausgehen um die gleiche Schärfe zu erhalten.